Kangding und Tagong
Sichuans Wilder Westen
28.07.2016 - 03.08.2016
22 °C
Nach gut zehn Tagen im tropischen Becken von Chengdu machen wir uns auf den Weg in Sichuans Westen. Hier beginnt der tibetische Kulturraum, der sich über mehrere chinesische Provinzen und angrenzende Staaten hinaus erstreckt. Anstatt Grüntee gibt es nun Buttertee, statt Schweinefleisch steht Yak auf dem Menü und die chinesische Begrüssung "Ni hao" weicht einem freundlichen "Tashi delek".
Von Ya'an, unserer letzten Station, führt eine siebenstündige Busreise (erwartet waren vier Stunden) nach Kangding (tibet. Dardo), einer auf den ersten Blick eher tristen Kleinstadt, die eingeklemmt zwischen hohen Berghängen in einem tiefen Tal auf 2560 m.ü.M. liegt. Wir entscheiden uns, die Weiterreise an unseren eigentlichen Zielort auf den nächsten Tag zu verschieben. Da die angestrebte Jugendherberge beim Busbahnhof schon ausgebucht ist, müssen wir auf das chinesische "Hotel" im unteren Stock ausweichen. Es erweist sich als eine günstige Absteige, in der man aber nicht länger als eine Nacht verweilen möchte. (In meiner Familie existiert ja seit unseren zahlreichen Englandferien der Begriff "Inder-Hotel". Diesen kann man künftig getrost mit "Chinesen-Hotel" gleichsetzen. Gemeint ist damit, dass Komfort und Hygiene in diesen Etablissements eher kleingeschrieben werden).
Wir sind hier eben nicht im Ritz.
Am nächsten Tag erreichen wir nach kurzer Fahrt im Gemeinschaftstaxi Tagong (tibet. Lhagang), ein kleines tibetisches Dorf umgeben von Bergen, Grassteppen und zahlreichen Klöstern und Tempeln. Wir gehen es vorsichtshalber ruhig an, denn wir befinden uns mittlerweile auf satten 3700 m.ü.M. Es werden Erinnerungen an Bolivien wach. Jede noch so geringe körperliche Betätigung bringt einen ausser Atem, man verspürt latente Kopfschmerzen und die Beine werden bei jedem Schritt schwerer. Zum Glück hat es im Dorf ein gemütliches Guesthouse, das von einem jungen Tschechen geführt wird, der sich als Hobby-Braumeister übt. Sein selbstgebrautes Indian Pale Ale ist eine willkommene Alternative zu der wässrigen Plörre, welche die Chinesen irrtümlicherweise als "Bier" bezeichnen. Zusammen mit seiner tibetischen Frau führt er auch ein Café, in dem sich jeden Abend westliche Reisende treffen und sich über ihre Abenteuer austauschen.
Unser Gepäck wird noch fachmännisch gesichert und dann kann's losgehen!
Am Ziel angekommen: Blick auf den Dorfplatz und das benachbarte Kloster, das wir uns später noch ansehen werden.
Unser freundlicher Gastgeber Max aus Prag.
Zur Stärkung gibt es erst einmal "Momos", die tibetische Spezialität schlechthin: mit Yakfleisch gefüllte Teigtaschen, serviert mit einem scharf-aromatischen Chili-Dip.
Nach unserer Ankunft erkunden wir das Dorf und begegnen dabei auf einem angrenzenden Hügel ein paar Mönchen, die umgehend mit uns posieren möchten (der Mönch von heute hat natürlich ein Smartphone). Dieser freundliche Herr war besonders von uns angetan:
In den kommenden Tagen folgen wir den Empfehlungen unseres Gastgebers und erkunden die Umgebung zu Fuss, schliesslich gilt das Gebiet als Wander- und Treckingparadies. Es gibt verschiedene Routen; eine davon führt in ein Kloster, das in zwei bis drei Stunden zu erreichen ist. Bei günstiger Witterung erscheint es klein und unscheinbar vor der imposanten Bergkulisse.
Grasland, so weit das Auge reicht.
Unser Tagesziel.
Bei genauerem Hinsehen entdeckt man immer wieder schöne Details.
Im Inneren des Haupttempels. Zu Gebetszeiten sitzen die Mönche auf den Teppichen und rezitieren ihre religiösen Texte.
Wir folgen der Strasse weiter am Kloster vorbei und gelangen in ein kleines Dorf, wo wir in einem Tempel Schutz vor dem einsetzenden Regen suchen. Eine Nonne freut sich über den unerwarteten Besuch und ist beeindruckt, als wir wild gestikulierend erklären, dass wir den ganzen Weg hierhin zu Fuss zurückgelegt haben.
Eine andere Wanderung führt durch ein ebenes Tal zu einem tibetischen Dorf, wo wir beim örtlichen Tempel freundlich empfangen werden. Eigentlich wäre diser geschlossen, aber ein junger Mönch und sein Freund haben sichtlich Freude an den fremdländischen Besuchern und schliessen den Tempel kurzerhand für uns auf. Wir mögen solche Begegnungen, denn sie verlaufen meist wortarm, aber dafür umso herzlicher und geben uns das Gefühl, nicht immer nur die plumpen Langnasen zu sein, sondern auch als interessierte und willkommene Besucher wahrgenommen zu werden.
In der tibetischen Hochebene leben noch viele Nomaden. Pferde sind für sie unerlässlich und werden heute natürlich auch im Tourismus z. B. für Trecks eingesetzt.
So klein unser Dorf auch sein mag, in seinem Zentrum steht ein imposantes Kloster, das wir uns auch noch ansehen.
Hier würde man nur zu gern eins draufhauen!
Im Aussenbereich befinden sich die typischen tibetischen Gebetsmühlen. Im Vorbeigehen versetzt man eine nach der anderen in Bewegung - wenn sie sich drehen, trägt der Wind die eingravierten Gebete in die Welt hinaus.
Viele Reisende ziehen nach ein paar Tagen weiter in den Westen Richtung tibetische Grenze. Wir wären auch gerne tiefer ins tibetische Sichuan vorgedrungen, aber die Reise dorthin gilt als beschwerlich und zeitaufwändig, was für unsere Sommerferien leider nicht drin liegt. So wollen wir uns eigentlich am 1. August für die geplante Weiterreise in den Norden vorbereiten, doch nach einem gemütlichen Abend in unserem Stammcafé mit Yaksteak und einem anständigen Glas australischem Wein schlägt das Schicksal unverhofft zu und Katja verbringt in dieser Nacht mehr Zeit in der Nasszelle als im Zimmer.
Da war der Abend noch in Ordnung.
Die geplante Weiterreise in den Norden ist somit gestrichen und ein Besuch im örtlichen "Krankenhaus" steht an. Dabei handelt es sich eher um eine Art Bereitschaftsklinik mit Personal auf Abruf. Dank unserer liebenswerten Gastwirtin, die hochschwanger mitwatschelt und für uns dolmetscht, ist es möglich, kurz mit einem Arzt zu sprechen, der Katja die nötigen Medikamente mitgibt. Unsere Gastwirtin nutzt die Gelegenheit gleich noch für einen spontanen Ultraschall, wenn der Doktor schon mal da ist.
Ab in die Tiefe
Wir planen unsere Reise um und entscheiden uns, so rasch wie möglich in tiefere Höhen zu gelangen. Wir gehen davon aus, dass es nicht nur am Essen gelegen hat, sondern eher ein Zusammenspiel von Anstrengung, Höhe, einer latenten Erkältung und ein paar unverträglichen Keimen gewesen ist. So führt uns unsere Reise noch einmal zurück nach Kangding, das uns auf einmal gar nicht mehr so unwirtlich erscheint. Wir können wieder richtig durchatmen und Katja erholt sich rasch in dieser moderaten Höhenlage.
Auf der Rückreise kommen wir am Kangding Airport vorbei, der mit 4280 m.ü.M. der dritthöchstgelegene Flughafen der Welt ist. Die ersten vier Plätze der Rangliste werden übrigens von chinesischen Flughäfen belegt - erst an fünfter Stelle taucht der Flughafen von La Paz in Bolivien auf. Die Maschine auf dem Foto gehört der chinesischen Gesellschaft "Lucky Air" - wenn das kein beruhigender Name ist ...
Die Stadt wird durch einen reissenden Fluss zweigeteilt.
An den umliegenden Felshängen prangen riesige religiöse Bilder. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, wie die Maler auf wackligen Bambusgerüsten herumturnen.
Mit einer Seilbahn geht es auf den Hausberg hinauf, der in ganz China bekannt ist, da er in einem traditionellem Liebeslied besungen wird. So sind wir nicht erstaunt, dass viele junge Pärchen sich die Zeit auf dem Berg vertreiben. Oben angekommen führt ein mit Gebetsfahnen verzierter Weg zu einem Tempel hinauf.
Blick auf die Stadt.
Nach einem Tag ist aber auch schon Schluss, was wir fast ein wenig bedauern, denn mittlerweile haben wir durchaus Gefallen an dieser Stadt gefunden. Unser Ziel ist aber immer noch der Norden der Provinz und so fahren wir am nächsten Tag zurück nach Chengdu, von wo aus wir bequem weiterreisen können.
Posted by b.visser 18:53 Archived in China Tagged tagong kangding dardo lhagang khampa_café Comments (0)